Marie Ruprecht und Antonia Riederer im Gastatelier des Landes Oberösterreich in Bad Hall
Ein bisschen, als wäre man plötzlich in eine Filmkulisse hineingetragen, so fühlt es sich an, wenn man zum ersten Mal durch den Kurpark Bad Halls spaziert. Von der Kirche her kommend, gelangt man zu einem großen geschotterten Platz mit Springbrunnen in der Mitte, umrahmt von großen blühenden Arrangements, am Rande eine überdachte Bühne, daneben das Kurcafé, das die regelmäßig stattfindenden Tanzabende ankündigt. Und: Bäume. Riesige Bäume. Stumme Zeugen längst vergangener Zeiten. Zeiten, in die man sich hineinversetzt fühlt, beim Wandeln durch die riesige Parkanlage, in der sich im zentrumsnahen Hauptteil mehrere Jugendstil-Villen befinden, die ebenfalls dazu beitragen, dass man sich nicht vorkommt wie im Jahr 2020 mitten am Land in Oberösterreich, sondern vielmehr wie Ende 1900 in Wien.
„Antik fühlt es sich an hier, total schön, sehr toll.“, so Marie Ruprecht, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Antonia Riederer im Juli für vier Wochen das Gastatelier des Landes Oberösterreich in der Rablvilla in Bad Hall zur Verfügung gestellt bekommen hat. Eben diese Villa befindet sich mitten im Herzen des oben beschriebenen Parks. Im zweiten Stock liegt das Atelier, das optimale Bedingungen für die beiden bildenden Künstlerinnen bietet: „Die Wohnung ist sehr gut aufgeteilt. Wir haben beide jeweils einen eigenen Arbeitsraum mit großem Balkon, zusätzlich gibt es einen großzügigen Begegnungsraum. Und das Licht, das ist optimal, weit besser als im eigenen Atelier.“
Beide verfügen zu Hause in Aschach an der Donau und in Prambachkirchen bei Eferding über ein Haus, in dem sich ihr eigener Arbeitsraum befindet. Dort allerdings ist die Arbeitsatmosphäre eine andere. Denn beide Frauen, die sich durch ihre Kuratorinnentätigkeit kennengelernt haben, sind zweifache Mütter. Ihre künstlerische Tätigkeit muss stets mit den Bedürfnissen der Familie vereinbart werden. „Hier können wir uns komplett unserem künstlerischen Schaffen widmen und arbeiten, bis uns die Hand wehtut. Nicht auf die Uhr schauen zu müssen, das ist ein großer Luxus.“
Antonia Riederer hat 2001 an der Kunstuni Linz ihr Diplomstudium Malerei/Grafik abgeschlossen und arbeitet mit Leinwand, Pinsel und – Acrylfarben, „weil das mit den Kindern früher einfach praktischer war als Ölfarben.“ Diese beiden Kinder, von denen die Rede ist, sind nun 18 und 12 Jahre alt, sie begleiten ihre Mutter nur noch selten ins Atelier. Früher, da waren sie sehr oft mit dabei, ausgerüstet mit Lego und/oder Playmobil. „Dass die Mutter arbeitet, das war für meine Kinder immer normal. Dass ich gar nicht da bin, das ist für sie nun erstmalig so.“ Ebenso für Marie Ruprechts Kinder, 9 und 13.
Deshalb wurde dieser Aufenthalt sehr genau geplant, die Kinderbetreuung für jeden einzelnen Tag der vier Wochen organisiert. Spontan das Feld zu verlassen, das ist ja als Mutter schwierig. Während beide Frauen im Privaten also akribisch planen (müssen), so gehen sie im künstlerischen Schaffen an das Thema Planung, Material- und Technikauswahl sehr unterschiedlich heran. Antonia Riederer arbeitet sich seit vielen Jahren – meist großformatig – an der sehr expressiven Malerei ab, beschäftigt sich sehr intensiv mit Farb- und Bildkomposition und überlässt nichts dem Zufall und steht dadurch mit ihrer Arbeit im Gegensatz zu Marie Ruprecht. Die Tochter eines Künstlerehepaars – Mutter ist die Keramikerin Elfriede Ruprecht-Porod – greift Vorhandenes auf, dokumentiert und arrangiert Gegenstände vor Ort neu, immer anders, ein wenig wie Mininatur-Archive einzelner Fragmente der Welt. Derzeit bevorzugt sie das Material Leinen. Dieses in Kombination zu Grün zu stellen, hat sich im Gastatelier durch den Anblick der „Baumgiganten“ ergeben. Schon nach den ersten Tagen in Bad Hall ist sie zum Kunstbedarf gefahren, um grüne Farben zu holen. Und auch Riederer fühlt sich inspiriert durch diese Art von Natur, die ihr an diesem speziellen Ort zuteil wird. Obwohl beide Frauen am Land wohnen – „diese Landschaft hier im Park, die ist anders“ und steht in diesem Fall auch im Kontrast zum kleinen, städtischen Treiben am Hauptplatz, der auf beiden Seiten bestückt ist mit Gastgärten, die an einen mediterranen Urlaubsort erinnern. „Das Gastateliers ist einfach perfekt gelegen. Oben die Ruhe im Park, unten das Leben.“ ist Ruprecht begeistert.
Die angenehme Lage, die tollen Räumlichkeiten, das Ambiente – all das führt das Duo in einen sehr produktiven künstlerischen Schaffensprozess in diesem Juli 2020. Das Ergebnis wird in Kürze im ersten KUNSTSALON – so der Name ihrer mobilen Ausstellungstätigkeit – der neuen Runde zu sehen sein. Auf der Suche nach einem neuen Thema wird viel gelesen, angesehen, diskutiert, bis dann plötzlich etwas aufkeimt. „Das lässt sich nicht planen, das Thema sucht uns.“ Der KUNSTSALON an sich verfolgt einen pragmatischen Zugang: Dort ausstellen, wo ein guter Platz ist. Im Zuge ihrer Ausstellungen bespielen sie „freie Räume“. So wird ein Leerstand oder ein Galerieraum zum Salon, eine bessere Aufwertung ist nicht möglich. 2017 haben die beiden mehrfach ausgezeichneten Künstlerinnen dieses Konzept entwickelt, zu dem auch gehört, jeweils eine Dritte mit ins Boot zu holen – aus unterschiedlichen Disziplinen kommend. „Daraus ergeben sich tolle Möglichkeiten für uns und auch für die jeweils andere Künstlerin.“ so Antonia Riederer. Gemeinsam wird das festgelegte, stets existenzielle Thema ins Zentrum gerückt.
Standen die letzten drei KUNSTSALONS unter dem Titel „Alle Zeit der Welt“, so war es im letzten Zyklus „Über die Natur der Dinge“. Dass überhaupt ein Rahmen gesteckt wird, liegt an der empfundenen Produktivität dessen, da zu viel Freiheit oft zu Verlorenheit in Raum und Zeit führen kann. Deshalb beschränken sich Marie Ruprecht und Antonia Riederer in ihrer Tätigkeit durch titelgebende Elemente und gehen von dort ausgehend ins Detail. „Alle Zeit der Welt“ soll nun weiterziehen, langsam auslaufen. Wo könnte das besser gehen, als an einem Ort, an dem scheinbar die Zeit stehen geblieben zu sein?